traces
(2024)
für Altsaxophon, Schlagzeug und Klavier
UA 11.06.2024, Unerhörte Musik (Berlin)
Traces ist gewissermaßen ein autobiografisches Stück. Mein künstlerischer Weg der letzten 25 Jahre führte mich durch viele verschiedene musikalische Welten, insbesondere bahnte ich mir meinen Pfad als studierter Saxophonist von der Jazzmusik über die improvisierte Musik, in welcher die Klarinette für mich im Vordergrund stand, hin zur zeitgenössischen Musik, in der ich vor allem als Komponist meinen Platz gefunden habe.
Jede dieser Station hinterließ in mir und meinem künstlerischen Schaffen bedeutende Spuren und in der Tat habe ich mit keinem der Kapitel abgeschlossen, sondern vielmehr existieren sie alle gleichzeitig und gleichberechtigt.
Traces ist ohne Zweifel ein Konzertstück zeitgenössischer Musik, doch weist es Spuren dieser anderen musikalischen Welten auf. Die Besetzung mit Altsaxophon, Klavier und Schlagzeug ähnelt derjenigen einer klassischen Jazz-Combo, allerdings handelt es sich beim Schlagzeug nicht um ein Drumset, sondern es teilt sich in zwei vordergründig separate Instrumentengruppen auf: erstens das Marimbaphon, welches durch die Möglichkeit, harmonisch-melodisch zu arbeiten, in recht großer Nähe zum Klavier steht – und zweitens die Bongos und Congas, die einen stärkeren (Latin-)Jazzbezug zu haben scheinen. Im Verlauf des Stücks entstehen neue Beziehungen zwischen diesen beiden Instrumentengruppen, die sowohl die rhythmischen Qualitäten der Marimba als auch die unterschwellig melodischen Möglichkeiten der Bongos und Congas hervortreten lassen.
Ein weiteres wichtiges Residuum ist dasjenige der Improvisation. Im Saxophonpart (welchen ich in der Uraufführung selbst übernommen habe) sind über weite Strecken improvisierte Passagen angelegt, die vom Interpreten spontan und nach eigenem stilistischem Ermessen ausgeführt werden sollen. Die Begleitung der Saxophonimprovisation durch einen quasi-ostinaten Basslauf ist ebenfalls ein typisches Merkmal der Jazzmusik, auch wenn dieser Basslauf in seiner Komplexität und dramaturgischen Ausgestaltung die Praxis einer Jazzband deutlich übersteigt und somit ebenso sehr der zeitgenössischen Musik angehört.
Zuletzt nimmt auch der formale Bau Bezug auf typische improvisatorische Schemata, indem er sich in einer Art Rondo-Form aus thematischen und solistischen Teilen gestaltet. Die solistischen Passagen sind hier jedoch überwiegend auskomponiert und motivisch miteinander verknüpft und die thematischen Teile unterlaufen tiefgreifende Veränderungen in struktureller und klangfarblicher Hinsicht. Vor allem der Schlussteil – quasi eine Schattenvariation des Themas – bricht die bis dahin vorherrschende tonhafte Klanglichkeit auf und abstrahiert diese zu einer geräuschhaften Textur, die in ihrem strukturellen Kern jedoch nicht weniger thematisch fundiert ist.
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